
Das bedeutet, dass dann am Morgen in der 'pastelaria' der Geschäftsmann eine bica zu 60 oder 70 Cent trinkt und dafür eine 'fa(c)tura' verlangt, worauf die/der Angestellte verpflichtet ist, die Daten des Kunden in der Computerkasse abzuspeichern, inklusive Steuernummer. Auch wenn man davon ausgeht, dass die Kassen die einmal eingegebenen Angaben speichern und es deshalb beim nächsten Mal wenigstens bei Stammkunden etwas schneller geht: man kann sich den Stau vorstellen, den solche Manöver verursachen.
Bleiben wir bei dieser kleinen Pastelaria, die übrigens vor einem guten Jahr eine neue supermoderne Kasse mit Touchscreen gekauft hat, die zwar ebenso teuer war, aber leider nicht nachrüstbar ist, diese Pastelaria, die seit einem halben Jahr statt 13 happige 23 % Mehrwertsteuer bezahlen muss und dank der Krise trotz der Tatsache, dass sie die Preise nicht angepasst hat, noch weniger Gäste hat als vorher, weil viele von diesen aus dem Mittelstand in direkt die Armut gefallen sind; diese Pastelaria hat jetzt also weitere eineinhalbtausend Euro zu bezahlen für die neue Kasse, die jedoch frühestens im März geliefert wird, denn die Dinger sind landesweit ausgegangen.
Und was soll sie jetzt bis März? Zero tolerância - schreit das 'governo' und schickt schon mal die 'fiscais' auf die Gasse. Und da die neuen Richtlinien besagen, dass die Kopien der ausgedruckten Talons - mit oder ohne Steuernummer - jeweils bis zum 15. nächsten Monats beim Finanzamt liegen müssen - also ..... was soll man da jetzt machen? 3 Monate schließen? Auf das Carnaval-Geschäft verzichten, das die Betriebe bis zu Ostern mehr schlecht als recht über Wasser hält? Und die Angestellten? Müssen ja trotzdem bezahlt werden! Also wie bitte soll das gehen?
Ach ja - übrigens, die Kassen aller estabelecimentos, die im letzten Jahr über 100'000 Euro Umsatz gemacht haben, müssen sogar direkt mit dem Finanzamt verbunden sein!! Im Vorjahr waren es noch 125'000 Euro. Nächstes Jahr werden es voraussichtlich 80'000. Also aufgepasst, dass man Kassen beschafft, die auch diese Funktion vorsehen - bald gilt die Vorschrift ohne Limit.
Ach ja - noch ein Übrigens: Der Staat fordert lautstark in Werbeclips den Bürger auf, immer und überall eine Rechnung zu verlangen. Und wenn er Rechnungen im Wert von 25'000 Euro (mehr als ein doppeltes Durchschnitts-Jahresgehalt!!*) präsentiert, erhält er einen Steuernachlass von 250 Euros. Na dankeschön. Ich hoffe nur, Zé Povinho rechnet nach und fängt nicht einfach aufs Geratewohl an, wild zu sammeln.
Wenn es nicht zum Heulen wäre, wenn die Situation vieler Portugiesen nicht so verzweifelt wäre, könnte man darüber lachen. Oh - da fällt mir noch was ein: die alten Kassen, die müssen natürlich genauso eingeschrottet werden wie damals die Fischkutter. Nur dass jene Fischer dafür von der EU 'entschädigt' wurden - wahrscheinlich ging es darum, die Fangquoten gewinnbringender zu verteilen. Heute nun, nachdem jene Fischer ihre Entschädigung längst aufgebraucht haben und nicht einmal mehr Arbeitslosengeld kriegen, sollen die Besitzer unserer 'estabelecimentos' und ihre Gäste und alle Zé Povinhos Portugals durch solche "medidas de austeridade" das "Haushaltsdefizit" derjenigen, die den ganzen Schlamassel verursacht haben an diejenigen, die vermutlich seit jeher von diesem Schlamassel profitieren, bezahlen ....
*) Hier ein Link zu einer deutschsprachigen Seite, die Löhne und Lebenshaltungskosten vom letzten März auflistet: «ba - Arbeiten in Portugal»
Was mich jetzt wirklich wunder nimmt: Ist das überall so mit den Kassen und dem ganzen Überwachungssystem? Oder spielt Portugal auch hier wieder den Superstrebermusterschüler Europas, der alles abschaut und dann noch viel besser machen will als die anderen, ohne Rücksicht auf nationale Besonderheiten?
Portugiesische Wörter, Aussprache und Bedeutung:
tasca (taschka): kleine Kneipe, Snackbar
estabelecimento: (schtabelessimentu) (gast)gewerblicher Betrieb
pastelaria: (paschtelaria) Konditorei
bica: (bika) Kaffee (siehe «bicalogie»)
governo: Regierung
fiscais: (fischkaisch) Kurzform für Steuerfahnder